Oberliga
Sonntag, 12.11.2023 00:55 Uhr | Ingo Poopen

„Ein Spiel für die Geschichtsbücher“: Kickers gewinnt Topspiel 4:3

Tido Steffens erzielte den Siegtreffer gegen Bersenbrück in der Nachspielzeit / Partie stand lange auf der Kippe

Selten war Tido Steffens eine Gelbe Karte so egal wie in diesem Moment. Der Torjäger von Kickers Emden setzte nach seinem Treffer zum Spurt in Richtung Eckfahne an. Sein Trikot trug Steffens dabei nicht mehr am Körper, sondern hielt es in der rechten Hand - und verschwand damit Sekunden später in einer blau-weißen Jubeltraube. „Wie die Leute im Stadion nach dem Tor ausgeflippt sind - das habe ich hier selten erlebt“, sagte er. Die Nachspielzeit des Spitzenspiels gegen den Tabellenführer TuS Bersenbrück war bereits angebrochen, als David Schiller den Ball per Einwurf in den Strafraum beförderte - und Steffens aus drei Metern zum 4:3-Siegtreffer einschob.

Es war der Schlusspunkt einer spektakulären Partie vor 1749 Zuschauern im Ostfriesland-Stadion. Zur Pause hatten die Emder mit 2:0 geführt, nach 59 Minuten stand es dann 3:2 für Bersenbrück - und letztlich eben 4:3 für Kickers. „Das war ein Spiel für die Geschichtsbücher“, sagte Tido Steffens hinterher. Damit meinte der 29-Jährige nicht nur die Dramaturgie, sondern auch die äußeren Bedingungen - denn die Begegnung hatte lange Zeit auf der Kippe gestanden. Bereits in den vergangene Tagen war alles dafür getan worden, den Platz in einen bespielbaren Zustand zu versetzen. Nach anhaltenden Regenschauern in der Nacht und am Samstagvormittag waren dann noch einmal viele fleißige Helfer, darunter auch zahlreiche Kickers-Fans, über mehrere Stunden im Einsatz, um das aufgeweichte Grün von Pfützen zu befreien. Auch die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk rückten aus  

Das letzte Wort hatte schließlich Schiedsrichter Marco Scharf (Cuxhaven). Der Unparteiische entschied erst eine Stunde vor Spielbeginn, dass er anpfeifen wird - unter der Bedingung, die Breite des Spielfeldes zu verringern, da sich die besonders kritischen Stellen an den jeweiligen Außenlinien befanden. „Ich spiele seit zwölf Jahren bei Kickers, aber diese Situation war auch für mich neu“, sagte Steffens. „Den Helfern, die sich den ganzen Tag den Arsch für uns aufgerissen haben, gebührt ein großes Lob“, so Steffens. „Wir wollten ihnen heute etwas zurückgeben und haben auch deshalb bis zur letzten Sekunde an den Sieg geglaubt.“ Auch Kickers-Trainer Stefan Emmerling war beeindruckt von der Unterstützung: „Was heute abgeliefert wurde, um das Spiel stattfinden zu lassen, war unfassbar“, sagte er. Dem stimmte Bersenbrück-Coach Tobias Langemeyer ebenfalls zu: „Wir haben großen Respekt vor der Arbeit, die hier im Vorfeld geleistet wurde“, so Langemeyer. „Genau deshalb sind wir auch angetreten. Alles andere wäre den Leuten gegenüber einfach nicht fair gewesen.“

Auf dem insgesamt rund 20 Meter schmaleren Platz kam Kickers zunächst deutlich besser zurecht. Nachdem Tobias Steffen an TuS-Torhüter Nils Böhmann gescheitert war, erzielte David Schiller per Abstauber die frühe Emder Führung (16.). Vier Minuten später hätte Steffen auf 2:0 erhöhen können, traf aber nur den Pfosten (20.). Doch das Tor von Emdens Nummer 10 war nur aufgeschoben: Nach einer Kopfballvorlage von Janek Siderkiewicz erzielte Steffen per Drehschuss den zweiten Kickers-Treffer (30.). „Danach hätten wir zwingend noch das dritte Tor nachlegen müssen“, sagte Emmerling. Das gelang den Emdern sowohl kurz vor der Pause als auch direkt nach dem Seitenwechsel nicht.

Stattdessen schlug der Tabellenführer eindrucksvoll zurück, traf innerhalb von acht Minuten dreimal und hatte die Partie plötzlich gedreht (51./56./59.). „Das war eine kalte Dusche für uns“, so Steffens. „Warum wir ein paar Prozente in der Kabine gelassen haben, ist schwer zu sagen.“ Eine Erklärung für die nachlässige Phase hatte auch Tobias Steffen nicht. Aber: „Wir haben nicht aufgegeben und stattdessen die Tugenden gezeigt, die Kickers Emden ausmachen.“ So kämpften sich die Ostfriesen zurück ins Spiel - und profitierten von einem Eigentor. Nach einer Ecke von Dennis Engel missglückte Bersenbrücks Innenverteidiger Leonard Hedemann die Abwehraktion - und der Ball landete im Netz (71.).

Drei Minuten nach dem Ausgleich hätte Jules Reimerink die Emder beinahe geschockt, sein Schuss aus elf Metern kullerte aber um Zentimeter am Kickers-Kasten vorbei (74.). Gleich drei Chancen binnen 60 Sekunden besaßen die Gäste in der 85. Minute: Dabei konnte sich der glänzend aufgelegte Emder Keeper Isaak Djokovic zweimal auszeichnen. Zwischen den Paraden rettete der eingewechselte Sven Lameyer einmal auf der Linie.

Die Protagonisten des Schlusspunkts hießen aber David Schiller und Tido Steffens. Schiller trocknete das Spielgerät vor dem Einwurf extra noch mit einem Handtuch ab und „flankte“ es anschließend in den Fünfmeterraum, wo Steffens seinem Gegenspieler Hedemann entwischte und zum 4:3 traf. Danach stand das Ostfriesland-Stadion Kopf. „Das war Ekstase pur“, sagte Tobias Steffen, der den Siegtreffer von der Ersatzbank aus miterlebte. „Dass Tido auf diesen Ball lauert, ist phänomenal.“

Der Matchwinner war nach dem Schlusspfiff nicht nur erschöpft, sondern einfach glücklich: „Es war super wichtig, dass wir den Abstand auf Bersenbrück verkürzen konnten“, fand Steffens. „Ich hoffe sehr, dass uns diese beiden Punkte mehr im Kampf um die Tabellenspitze noch helfen werden.“ Auch für Tobias Steffen war der Last-Minute-Erfolg besonders. „Wir sind jetzt seit sieben Spielen ungeschlagen und haben sehr, sehr viel Selbstvertrauen. Das wollen wir in den kommenden Wochen bestätigen.“

Kickers Emden

1. Mannschaft

4:3 (2:0)

TuS Bersenbrück

1. Mannschaft

90'
Tor
Tor
90'
Gelbe Karte
Gelbe Karte
90'
Gelbe Karte
Gelbe Karte
71'
Tor
Tor
61'
Tor
Tor
56'
Tor
Tor
51'
Tor
Tor
33'
Gelbe Karte
Gelbe Karte
30'
Tor
Tor
16'
Tor
Tor
Aufstellung
BSV: Djokovic, Herbst, Eilerts, Engel, Kaissis, Steinwender, Steffen, Siderkiewicz, NDiaye, Schiller, Steffens
: Böhmann, Hedemann, Greten, Eiter, Leinweber, Reimerink, Waldow, Müller, Papachristodoulou, Eickschläger, Lührmann